literarisch musikalisches Duett – humorvoll, intelligent, elegant und relevant
Volker Ranisch
Schätzchen, streit’ mit mir.

Schätzchen, streit’ mit mir.
Eine Liebesgeschichte in Briefen in der Tradition der love letters nach dem gleichnamigen Roman von Benjamin Rakidzija.
Nicht von ungefähr erinnert das „Schätzchen“ im Titel des Theaterabends an eine Filmkomödie aus dem Jahr 1968.
„Zur Sache Schätzchen“, so der Titel des Films, setzte sich als einer der ersten mit dem Lebensgefühl junger Menschen am Vorabend der 68er- Unruhen auseinander.
Wie seltsam es ist, wenn wir uns mit der Geschichte unser beiden, ein wenig in die Jahre gekommenen Liebenden, Sophie und Pierre, konfrontieren.
Damals brauchte es 10 Zeitungsannoncen, um sich zu verlieben.
Heute: 10-tausend Internetseiten – um sich darin zu verlieren?
Nicht nur die Sitten haben sich geändert. Auch die Formen der Suche nach einem Partner, einer Partnerin sind andere geworden in Zeiten von „tinder“, „parship“, „elitepartner“ und co.
Oder käme heute noch ein Mann auf die Idee, einer Frau hinterher zu pfeifen? Und wenn, würde Mann es wagen? Ein Klatsch auf den Hintern einer Dame galt einmal als Kompliment, wie Madame Bardot nicht ohne Wehmut feststellte.
Ist es ein Kampf um Deutungshoheit? Geht es um political correctness? Geht`s um mehr? Und wie geht es den Menschen damit? Wie fühlt es sich an, die eigene, einst durchaus fortschrittliche Sozialisation zu hinterfragen,
den unverkrampften Umgang miteinander, die saloppe Sprache, bei der es „zur Sache“ ging.
„Ein weites Feld“, pflegt der alte Briest in Fontanes Roman zu sagen.
Dahinein begibt sich unser Paar, unser „Held“ und sein „Schätzchen“, das längst kein solches mehr ist, und vielleicht nie eines war. Sensibilisiert von Themen wie Gleichberechtigung und Gleichstellung suchen beide ihre radikalen, konservativ überholten, überspannten, fahrlässig laxen Haltungen zu verstehen und zu integrieren in ihre Welt.
Benjamin Rakidzija, der Autor, schreibt:
`Wir haben zwei Menschen vor uns, scheinbar steckengeblieben in ihren Gewohnheiten, dann herausgerissen aus selbigen, neu orientiert und hingestellt durch die überraschende Liebe zueinander…
Ein Erweckungserlebnis, das ist es. Die Erweckung aus dem Schlaf der Einsamkeit und die Hoffnung, und Sehnsucht, nach Zärtlichkeit.
Es ist eine Liebesgeschichte, absolut, vor dem Hintergrund eines Streits zweier Menschen, die im Inneren nach Erfüllung suchen. Streiten – das ist, was sie brauchten. Denn mancher Mensch, der niemals wagt zu streiten: Was hat er von seinem Leben? Bleibt er nicht immer, was er war …`
Volker Ranisch (Spiel)
André Steger (Regie)
Benjamin Rakidzija. (Text)